• 2022 Ausgabe 1 /
  • Ein klingendes Gespräch: Das Wood&Steel-Interview mit Andy Powers

Ein klingendes Gespräch: Das Wood&Steel-Interview mit Andy Powers

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In diesem ausführlichen Gespräch behandelt Taylor's Meister-Gitarrenbauer Andy Powers das Thema Evolution im Gitarrendesign bei Taylor und die vielen Faktoren, die zum musikalischen Charakter einer Akustikgitarre beitragen, was auch den Gitarristen selbst umfasst.

Andy Powers und ich haben an diesem großen, schönen Werktisch inmitten seiner frisch renovierten Werkstatt auf dem Taylor Betriebsgelände Platz genommen, um uns über den Stand des Gitarrenhandwerks bei Taylor zu unterhalten. Die Umgebung seiner Werkstatt ist ideal für dieses Gespräch und würde sicherlich jeden inspirieren, der Holz und Handwerk liebt: aufgeräumt, großzügig, durchflutet von Tageslicht durch bis an den Boden reichende Fenster auf der einen Seite. Die Werkstatt ist mit einer Reihe von maßgeschneiderten und speziell angefertigten Werkbänken und Lagerschränken ausgestattet, die alle aus Verschnitt von Sapelli, Blackwood, Ebenholz und anderem Holz gebaut sind, das für Gitarrenteile nicht mehr verwendet werden konnte. Sogar der Boden besteht aus schachbrettartig verlegtem Ebenholz und Sapelli. Das schafft eine rustikale und raffinierte Atmosphäre: warm, schlicht und praktisch.

Letztendlich ist der Klang einer Akustikgitarre das Ergebnis des Zusammenspiels aller ihrer Bestandteile.

Sämtliche Bestandteile des Raums sind auf durchdachte Weise angeordnet, von Regalen an der Wand mit ausgewählten Holzstücken für zukünftige Prototypen bis zu einem Arbeitsbock aus Holz mit einer Reihe an Zwingen und Schleifgeräten sowie anderen wichtigen Maschinen, einschließlich einer schweren Bandsäge von Davis & Wells aus der Vorkriegszeit, die Andy ganz besonders schätzt.

„Bill Collings hat mir den Tipp gegeben“, erzählt er, wobei er stolz auf die Geschichte und überlegene Leistung dieser Maschine eingeht. „Ich habe das Glück, dass ich auch in meiner eigenen Werkstatt zu Hause eine habe.“

Andy fügt hinzu, dass ihm als Kunsthandwerker immer schon die Umgebung wichtig war, die sich Menschen zum Leben und Arbeiten einrichten.

„Mein Vater ist Zimmermann, soweit ich zurückdenken kann, aber am nächsten komme ich diesem Beruf unserer Familie dann, wenn ich an meinem eigenen Haus arbeite“, sagt er. „Da ich aus diesem Umfeld stamme, war es für mich immer schon interessant, die Räume kennenzulernen, die Menschen für sich selbst schaffen: Sie vermitteln uns eine Vorstellung davon, wie die Menschen leben, wie sie ihre Umwelt betrachten und empfinden.“

Andy ist es natürlich nicht entgangen, wie sehr viele von uns sich gezwungen sahen, ihren Arbeits- und Lebensstil im Laufe der letzten zwei Jahre aufgrund der Pandemie radikal zu verändern. Wenn man da irgendetwas Gutes finden möchte, dann vielleicht die Tatsache, dass es uns dazu bewegt hat, unsere Prioritäten im Leben zu überdenken, vielleicht eine frische Perspektive zu erlangen und es darauf anzubringen, unser Leben sinnvoller zu gestalten.

Manche Menschen haben sich entschlossen, Gitarre spielen zu lernen; andere haben nach langer Auszeit wieder angefangen, zu spielen. Was Andy angeht, hat er die Gelegenheit genutzt, um nicht nur seinen Arbeitsplatz neu zu gestalten sondern auch über seine Einstellung zum Gitarrenbau nachzudenken.

Wir alle spielen unterschiedlich Gitarre, auch Musik hören wir nicht alle auf dieselbe Art und Weise, daher möchte ich auch auf keinen Fall immer die gleichen Gitarren bauen.

„Eines ist sicher: Ich bin heute mehr als je zuvor davon begeistert, Gitarren zu bauen“, erzählt er. „Ich mache das jetzt schon seit vielen Jahren und es macht mir immer noch genauso viel Spaß. Wie in jeder langjährigen Beziehung, gibt es im Laufe der Zeit Umstellungen und Wachstum. Ich denke, dass es wichtig ist, einen Schritt zurückzutreten, das Instrument anzuschauen und zu überlegen: Welchen Ansatz verfolge ich jetzt eigentlich? Wie hat sich diese Beziehung entwickelt? Diese Art von Überlegung lohnt sich sogar für die Einzelteile: Wir haben Tausende von Mahagoni- oder Fichtenstücken verarbeitet, aber es ist wichtig, innezuhalten und zu überlegen, normalerweise gehen wir so vor, aber wie wäre es, wenn wir es jetzt so machen würden? Ich bin der Ansicht, dass es noch viel zu erforschen gibt, was das Holz und die Instrumente betrifft, die wir daraus bauen.“

Neben der Liebe zum Holzhandwerk, die Andy mit seinem Vater teilt, ist Innovation anscheinend eine weitere Eigenschaft, die ihm im Blut liegt. Er zeigt auf eine Wand, die mit eingerahmten Kopien von per Hand ausgeführten Patentzeichnungen von Erfindungen seines Ur-Ur-Großvaters Arthur Taylor von Anfang des 20. Jahrhunderts geschmückt ist (ja, sein Nachname war tatsächlich Taylor). Diese reichen von einer Art Zündkerze für Verbrennungsmotoren bis hin zu einem Hammer, der mit einer Vorrichtung ausgestattet war, die Nägel transportierte und an Ort und Stelle platzierte, so dass man mit einer einzigen Hand nageln konnte.

„Es erfreut mich immer wieder, diese Zeichnungen anzuschauen und dabei zu überlegen, dass er selbst ein so bekanntes Werkzeug wie einen Hammer unvoreingenommen betrachtete und es sich zur Aufgabe machte, seine Funktion zu verbessern“, meint Andy.

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Weil dies die Ausgabe mit dem Gitarrenführer ist, haben wir gedacht, um in die richtige Stimmung zu kommen gibt es wohl kaum etwas Besseres, als mit Andy ein Gespräch über sein Schaffen bei Taylor zu führen, was auch die Art und Weise umfasst, wie die Produktpalette sich im Laufe der Zeit entwickelt hat und in welche Richtung es weitergeht. Eines scheint sicher zu sein: Dank Andys grenzen sprengenden Designs haben wir eine vielseitigere Auswahl an Gitarrencharakteren in unserer Produktpalette als je zuvor.

Sie sind jetzt schon seit 11 Jahren bei Taylor. Wenn Sie zurückdenken, glauben Sie, dass Sie dem Unternehmen im Rahmen einer bestimmten kreativen Mission oder eines vereinbarten Auftrags zwischen Ihnen und Bob beigetreten sind?

Was den Gitarrenbau angeht, haben wir – abgesehen vom gemeinsamen Streben nach musikalischeren Gitarren – dieses neue Kapitel nicht mit einem vereinbarten Auftrag oder festgelegten Anweisungen angefangen. Für uns ist das der rechte Weg, um es einmal so auszudrücken. Unsere Aufgabe als Gitarrenbauer besteht darin, Musiker zu bedienen. Ich finde es toll, wenn Instrumente einen Sammlerwert haben, wenn die Leute ein Instrument aufgrund seiner Schönheit schätzen, aber unsere wahre Berufung ist der Bau von Instrumenten, die es Gitarristen ermöglichen, Musik zu machen. Ganz nüchtern betrachtet ist das Musik machen eine ziemlich unpraktische Beschäftigung, aber dennoch halte ich es für absolut unverzichtbar, weil es Menschen einen Weg bietet, unserer Realität einen Sinn zu verleihen und ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Angesichts dessen möchte ich, dass jede einzelne unserer Gitarren einem musikalischen Zweck dient.

Und dieser Zweck kann von Gitarre zu Gitarre verschieden sein.

Jede Gitarre sollte einem einzigartigen Zweck dienen. Sie dürfen und sollten auf keinen Fall genau gleich klingen. Wenn ich unsere gesamte Produktpalette durchgehe und alle Gitarren spiele, dann fällt mir vor allem eines auf: Alle Instrumente klingen grundsätzlich musikalisch, genau wie es auf jede Gitarre zutreffen sollte. Abgesehen davon, sei betont, dass wir sie nicht alle auf dieselbe Art anhören. Einige klingen intimer, andere wiederum dreister, möglicherweise mit sehr weiter Klangprojektion, dann gibt es welche, die sehr sensibel anzusprechen sind, auch die Klangfarben variieren, von warm, dunkel oder gefühlvoll bis hin zu kräftig und heiter. Bei manchen handelt es sich um Gitarren, die man sich eher in einem schönen, stillen Zimmer anhört; während man andere gerne auf eine große Bühne mitnehmen möchte. Alle haben sie unterschiedlichen Charakter und eignen sich für verschiedene Zwecke, weshalb es für mich so wichtig ist, Gitarren verschiedenen Typs zu bauen. Es gibt viele Variablen, die bestimmen, ob sich ein Instrument besonders für einen bestimmten Zweck eignet.

Als Sie bei Taylor anfingen, waren Ihnen unsere Gitarren sicherlich schon bekannt, aber sahen Sie damals sofort eine Gelegenheit, unsere Produktpalette weiter zu diversifizieren?

Ja, ich sah da eine klare Gelegenheit, unser Angebot noch weiter auszubauen. Wenn Sie einen Blick auf die Gitarren werfen, die wir vor 15 Jahren gebaut haben, werden Ihnen viele Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Modellen auffallen. Wir variierten damals insbesondere das Äußere und das Holz des Bodens und der Zargen. Viele der internen Teile waren bei den meisten Modellen identisch. Bei manchen Modellen wurden kleinere Veränderungen für optimale Passform vorgenommen, aber viele waren sich sehr ähnlich. Für mich stellte dies eine Gelegenheit dar, die Palette der Klänge weiterzuentwickeln und zu erweitern.

Hinzu kommt, dass Sie vorher daran gewöhnt waren, jede einzelne Gitarre, die Sie bauten, spezifisch auf die Bedürfnisse der jeweiligen Person, die sie in Auftrag gab, abzustimmen.

Ja, was die Fertigung betrifft, habe ich meine Erfahrungen am anderen Ende des Spektrums gemacht. Wenn mich jemand aufsuchte, um eine Gitarre in Auftrag zu geben, stellte ich normalerweise zunächst einige Fragen: „Bevor wir entscheiden, ob es eine Gitarre mit gewölbter oder flacher Decke, eine E-Gitarre oder was auch immer sein soll, wie möchten Sie als Gitarrist eigentlich klingen? Welche Musik hören Sie sich gerne an? Welche Art von Sound mögen Sie? Welche Art von Sound gefällt Ihnen nicht?“ Erst nachdem ich die Antworten auf diese Fragen hatte, war der Ausgangspunkt geschaffen, um Entscheidungen zum Bau des Instruments zu treffen, damit das gewünschte Endergebnis erzielt werden konnte. Da ich aus dieser Richtung komme, ist musikalische Vielseitigkeit stets von großem Interesse für mich. Mir gefällt Vielseitigkeit unter Musikern, Musik-Genres, Songwriting-Stilen, ja auch was die Performance betrifft. Ich finde das einfach klasse. Wir alle spielen unterschiedlich Gitarre, auch Musik hören wir nicht alle auf dieselbe Art und Weise, daher möchte ich auch auf keinen Fall immer die gleichen Gitarren bauen.

Elf Jahre später, wenn Sie unsere Produktpalette an Gitarren betrachten, wie würden Sie diese ihrer Weiterentwicklung nach beurteilen?

Ich bin stolz auf das, was wir als Gitarrenbauer erreicht haben. Wenn wir uns alle Modelle anschauen, die wir derzeit bauen, dann verfügen wir jetzt über eine breitere Palette an Sounds als je zuvor. Eine breitere Auswahl unterschiedlicher Erscheinungsbilder, musikalischer Einsatzbereiche, Sounds und Klangfarben, ja auch verschiedene Arten von Spielgefühl, stets verbunden mit bestimmten Qualitätsmerkmalen, bei denen wir auf Konsistenz setzen. Diese grundsätzlichen Qualitätsmerkmale sind das, was Bob als die zentralen Elemente bezeichnen würde, nach denen er jahrzehntelang gesucht hat. Ich würde sie als absolutes Muss bezeichnen. Eine Gitarre muss gut spielbar sein. Die Saitenlage muss topp sein, der Hals perfekt, das Instrument muss zuverlässig sein, präzise, die Noten müssen sauber gestimmt sein. Die Mechanik eines jeden Instruments muss von Grund aus solide sein. Erst wenn diese Punkte erreicht sind, kann man sich Gedanken über den Klang der Gitarren machen. Mit moderner Ausrüstung kann man den Klang anhand von Spektralanalyse und ähnlichen Hilfsmitteln beurteilen, aber ich finde es wichtiger, den Sound auf die Art und Weise zu beurteilen, wie ein Musiker ihn empfinden würde. Ich könnte für eine bestimmte Gitarre technische Begriffe anwenden und sagen, dass sie eine bestimmte Empfindlichkeit im Bereich von Sound so viel Hertz hat [die Maßeinheit für die Frequenz], aber was ich fühle ist, dass jene Gitarre sensibel darauf reagiert, wie ich die Saiten anschlage. Oder ich könnte sagen, dass die Gitarre sehr gefühlvoll klingt, weil ich sie sehr fein artikuliert spielen kann, aber auch sehr kraftvoll, mit festem oder sanftem Anschlag, und sie gut darauf anspricht. Jedes Modell stellt eine Art Einladung dazu dar, mit einer bestimmten Art von Betonung zu spielen. Eine der heutigen Grand Orchestra lädt beispielsweise dazu ein, zu einem starken Plektrum zu greifen und damit ordentlich loszulegen: ein kraftvoller, dreister Klang, ja ein dreifacher Espresso der Gitarrentöne. Einfach mächtig. Mir gefällt eine Vielfalt von Klangfarben und ich möchte mir darüber Gedanken machen, welches Gefühl sie mir als Musiker vermitteln.

Wir befinden uns nun schon seit ein paar Jahren im Zeitalter der V-Class-Verstrebung und ein Teil des Versprechens war ein neuer Klangmotor, der neue Grenzen für die fortwährende Entwicklung sprengen würde. Das wiederum hat zur C-Class-Verstrebung für die GT-Gitarren geführt. Erfüllt das V-Class-Bracing Ihrer Ansicht nach die Erwartungen?

Wir haben zweifellos die Gelegenheiten für weitere Entwicklungen genossen, die uns das V-Class-Bracing erlaubt. Ich war begeistert davon, das asymmetrische C-Class-Bracing bei den GT-Gitarren umsetzen zu können und es werden noch weitere Entwicklungen in dieser Hinsicht folgen. Was die V-Class-Gitarren selbst betrifft, gibt es verschiedene Wege, um sie abzustimmen. Wir sind so weit gegangen, dass wir selbst bei unterschiedlichen Modellen, die jedoch auf ähnlichen Holzkombinationen basieren, je nach Modell klanglich unterschiedlich abgestimmte hintere Verstrebungen entwickeln. Diese verschiedenen Klangfarben kommen zum Vorschein abhängig davon, wie das Instrument gespielt wird. Die hinteren Verstrebungen einer 12-saitigen Builder’s Edition 652ce aus Ahorn haben zum Beispiel ein völlig anderes Profil als unsere anderen Gitarren aus Ahorn: die Art, wie die Spitzen der Verstrebungen enden, wie sie ausgerichtet sind, all das ist auf den individuellen Klangcharakter der Gitarre abgestimmt.

Sie haben auch die klangliche Palette der Taylor Gitarren mit neuen Korpusformen wie die Grand Pacific erweitert. Während diese und andere GT-Modelle ihren Weg in die Hände von Gitarristen finden, sieht es so aus, als würde sich das Spektrum der besonders attraktiven Modelle erweitern, wodurch unser Flaggschiff, die Grand Auditorium etwas weniger Aufmerksamkeit erhält, auch wenn sie lange Zeit als Vorzeigemodell für den Taylor-eigenen Sound galt.

Ja, das kann man teilweise schon so betrachten. Ein Mensch lässt sich an seinem Oeuvre erkennen, egal ob es sich dabei um einen Gitarrenbauer, einen Musiker oder einen Künstler eines anderen Bereichs handelt. Man gewöhnt sich sehr leicht an einen bestimmten Stil, wenn dieser für die Mehrheit von dem verwendet wird, das man schafft. Das ist ungefähr so, wie wenn man sich eine seiner Lieblingsbands anhört, man hat sich an ihren Sound, ihre Songs und ihren Stil gewöhnt. Dann geben sie plötzlich ein neues Album heraus, das komplett anders ist; man kann immer noch hören, dass es dieselbe Band ist, aber sie haben sich entwickelt, andere Klangfarben, Sounds gefunden. Als Gitarrenhersteller werden wir natürlich von vielen Leuten als die Marke der Grand Auditorium angesehen. Wir bauen die typische moderne Akustikgitarre, die GA mit Cutaway. Und wir lieben diese Gitarren. Sie passen perfekt zu der großen Mehrheit von allem, was ein Musiker mit einer Akustikgitarre unternehmen könnte. Aber es handelt sich dabei nicht um das einzige Instrument, das es geben soll. Unser Unternehmen hat mit Jumbo-Gitarren und Dreadnoughts angefangen, bevor wir die Grand Concert entwickelt haben. Wir haben die GS- und GS Mini-Gitarren geschaffen. Und in jüngerer Zeit die Grand Pacific und die Grand Theater. Mir gefällt es echt gut, wie die GP- und die GT-Gitarre den Gitarristen unterstützen. Es ist einfach toll, wie alle diese Varianten wunderbar zu verschiedenen musikalischen Richtungen passen. Ich mag einfach all diese verschiedenen Klangfarben.

In unserem jährlichen Gitarrenführer in Wood&Steel neigen wir dazu, unsere Gitarren zu zerlegen und die klanglichen Eigenschaften der einzelnen Hauptkomponenten, wie Korpusformen und Tonhölzer zu erklären. Im letzten Jahr haben Sie uns dabei geholfen, visuelle Diagramme für den Klang der einzelnen Hölzer zu erstellen und Sie haben dabei vier Kategorien gewählt, die dabei helfen, ein Klangprofil des jeweiligen Holzes zu erstellen [Frequenzbereich, Obertonprofil, Reflexionsvermögen (reflektiert den Gitarristen/die Bauweise vs. reflektiert das Holz) und Empfindlichkeit der Ansprache]. Eine Gitarre ist aber in Wahrheit ein komplexeres System aus vielen Komponenten. In einem gewissen Sinne bestünde also ein genauerer Ansatz darin, dieses Diagramm für jedes einzelne Modell zu erstellen, da dies besser das Zusammenspiel dieser Elemente widerspiegeln würde.

In der Tat ist es schwer, zu beschreiben, was genau man gerade hört, wenn man zu einer Gitarre greift und eine Note anschlägt. Hört man die Seite? Oder das Plektrum? Den Steg, die Brücke, die Decke, den Boden, den Hals, die inneren Verstrebungen, die Größe oder gar die Luftmasse innerhalb des Instruments? Keiner dieser Aspekte bestimmt den Klang allein und es fällt mir sogar schwer, den Einfluss auf den Klang der Gitarre, der von den einzelnen Komponenten ausgeht, als Prozentwerte einander gegenüber zu stellen. Mir ist klar, dass wir Dinge gerne zerlegen, um sie besser zu verstehen, weil wir sie mögen, und jeder begeisterte Gitarrist möchte seine Gitarre besser verstehen. Ich finde das einfach toll. Letztendlich ist der Klang aber das Ergebnis des Zusammenspiels aller ihrer Bestandteile.

Was den Gitarristen selbst mit einschließt.

Ganz klar. Ich habe kürzlich ein Buch gelesen, das von einem Toningenieur geschrieben wurde, der Elton John Anfang der 70er Jahre aufgenommen hat und damals strebte jeder danach, den echten Klavier-Sound von Elton zu erfassen. Der Tontechniker hat eine bestimmte Strategie für die Ausrichtung und Platzierung der Mikrofone sowie andere Techniken eingesetzt, in der Hoffnung, Eltons Sound zu reproduzieren, aber das Ergebnis war genau der Klang, den er vom Klavier des Studios gewöhnt war. Dann schließlich kam Elton für die Aufnahmesession an und fing an zu spielen, und ja, es klang exakt so, wie man es von ihm erwartete. Es hatte nichts mit dem Klavier zu tun, das diente nur als Vermittler seines Anschlags der Tasten. Das ist schon erstaunlich, weil ein Klavier ja eine mechanische Verbindung zwischen den Saiten und den Fingern des Musikers darstellt. Das gibt es eine ganze Reihe von Kraftübertragungen, um die Bewegung einer Taste bis auf den mit Filz bedeckten Hammer zu übertragen, der dann auf die Saite trifft, und er trifft natürlich exakt auf dieselbe Stelle bei jedem Anschlag. Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie es möglich ist, die Tasten so anzuschlagen, dass Nuancen sogar über dieses komplexe System von kleinen Mechanismen aus Holz, Filz und Leder im Augenblick des Anschlags der Saite übertragen werden, die auf so deutliche Art und Weise das Endergebnis beeinflussen. Wenn man das jetzt auf die Gitarre überträgt, wo die Fingerspitzen des Musikers direkt die Saiten berühren, dann überrascht es wirklich nicht, dass die Gitarre ein so persönliches Instrument ist. Sie klingt so, wie der Gitarrist, der sie spielt.

Aber lasst uns jetzt einmal ein wenig von den Klangeigenschaften abwenden. Sie haben vom Spielgefühl und der Ansprache geredet, die natürlich mit dem Klang in Verbindung stehen, aber nicht nur.

Ja, es gibt hier Unterschiede, die über den Klang hinaus gehen, denn es geht hier nicht nur darum, was man hört, sondern auch was man fühlt, wenn man eine Gitarre spielt. Genauer betrachtet geht es gar nicht direkt darum, wie weit die Saiten vom Griffbrett entfernt sind, welche Spannung sie haben oder welche Mensur, ja, die messbaren Eigenschaften der Gitarre. Nein, es geht hier um die wechselseitige Kommunikation, die man erlebt, wenn man eine bestimmte Gitarre spielt. Wenn man zu einer Gitarre greift und diese ganz klar daran beteiligt ist, wie der Gitarrist mit ihr interagiert, was auf die Kombination des Klangs, des Eindrucks, den die Saiten auf die Fingerspitzen vermitteln, die Belastbarkeit und Flexibilität und die Empfindlichkeit der Ansprache – also sämtliche taktile Elemente und der daraus sich ergebende Klang -, zurückzuführen ist.

Ein Gitarrist sollte sich niemals von einer zu großen Auswahl überwältigt fühlen. Varianten sollten dazu da sein, es einem Musiker zu erlauben, das Erforschen neuer Klänge nach Lust und Belieben zu genießen.

Ich habe in letzter Zeit viele unterschiedliche Instrumente gespielt und da fällt einem dieser dynamische Austausch ganz klar auf. Wenn ich zu einer Gitarre mit gewölbter Decke greife, hat sie eine bestimmte Ansprache, die mich dazu bewegt, anders zu spielen. Mir fällt da auf, dass ich auf einer solchen Gitarre einen anderen Anschlag habe, als auf anderen Arten von Gitarren. Wenn ich zu einer GT greife, führt das geschmeidige Gefühl ihrer Saiten und die schnelle Ansprache irgendwie dazu, dass ich dieselbe Melodie anders phrasiere. Ich betone die Noten vielleicht anders; oder schlage die Saiten mit einer anderen Artikulation an. Wenn ich zu einer Grand Pacific oder Grand Orchestra greife, dann werde ich die gleichen Noten mit einem etwas anderen Anschlag spielen. Dieser veränderte Anschlag entsteht durch meine Wahrnehmung des Klangs der Gitarre. Viele Musiker nutzen diese Interaktion zwischen Instrument und Instrumentalist zu ihrem Vorteil und wählen absichtlich ein Instrument, durch das ihre Musik in eine bestimmte Richtung getrieben wird. Hin und wieder wählen sie sogar ein Instrument, das für ihre Gewohnheiten atypisch ist, anstelle der Art von Instrument, an das sie gewöhnt sind, um sich selbst zu zwingen, eine völlig andere kreative Richtung einzuschlagen.

Können wir einmal kurz das Thema Saiten behandeln? Mit Ihren neueren Gitarrenmodellen haben Sie angefangen, auf eine etwas vielseitigere Auswahl an Saiten zu setzen, mit Saiten von D’Addario bei den Gitarren der American Dream-Serie. Saiten stellen ein wichtiges Element für den Klang und das Spielgefühl einer Akustikgitarre dar und hängen auch von den Vorlieben des Gitarristen ab. Können Sie uns etwas mehr über den Einfluss erzählen, den verschiedene Saiten auf den Klang und das Spielgefühl haben?

Wenn wir die Vorstellung des Instruments als ein System, das den Instrumentalisten und seine Performance direkt beeinflusst, weiterführen, dann findet ein entsprechender Austausch im Rahmen dieser dynamischen Beziehung zwischen der Gitarre und dem Gitarristen an den Berührungspunkten statt. Ich vergleiche das oft mit Surfbrettern. Jedes Surfbrett hat leicht unterschiedliche Eigenschaften, hat sozusagen eine bestimmte Art und Weise, über die Wellen zu gleiten, und eignet sich daher für bestimmte Umstände am besten. Jenseits dieser inhärenten Eigenschaften, kann man eine Feinabstimmung vornehmen, die ihre Einsetzbarkeit auf ganz besondere Art verbessern können. Das trifft auch auf Gitarren zu. Zunächst einmal sind die inhärenten Eigenschaften der Gitarre zu beachten. Die nächste, wichtige Entscheidung besteht in der Auswahl der Saiten. Wenn mir ein Bekannter erzählt, dass er eine neue Gitarre hat, dann lautet meine erste Frage: „Welche Gitarre?“ und sofort anschließend frage ich: „Welche Saiten hast du drauf?“. An dritter Stelle könnte ich dann fragen, welches Plektrum er verwendet, wenn er überhaupt mit Plektrum spielt. Normalerweise stelle ich die Fragen in dieser Reihenfolge, weil natürlich der Gitarre selbst die größte Bedeutung zufällt – da weiß man sofort, wo man dran ist -, es dann aber auch wichtig ist, zu entscheiden, wie man diesen Klang dann mit den richtigen Saiten noch verfeinern kann. Da heißt es nicht nur, zwischen beschichteten oder nicht beschichteten Saiten zu wählen; vielmehr stellt sich auch die Frage: aus welcher Legierung besteht der Draht, mit dem die Saiten umwickelt sind, und welche Spannung haben sie? Aus welchem Material bestehen die Saiten? Sind sie aus Phosphorbronze? Oder sind sie aus vernickelter Bronze wie wir bei unserer neuen AD27e Flametop verwenden? Jede dieser Variablen führt zu einem anderen Spektrum, einer anderen Art von Ansprache, einer anderen Art von Klang, die auf das mechanische System einwirken. Was jetzt das Plektrum angeht, wenn der Gitarrist eines verwendet, dann ist es interessant, darüber nachzudenken, welche Rolle es in dieser Gleichung spielt. Es gibt da Tausende von Variablen, die da ausprobiert werden können, was die Stärke, die Form und die Beschaffenheit der Oberfläche des Plektrums betrifft. Trotz der unzähligen Parameter, die da berücksichtigt werden können, sollte der Gitarrist nie das Gefühl bekommen, von der Anzahl der Optionen überwältigt zu sein. Varianten sollten dazu da sein, es einem Musiker zu erlauben, das Erforschen neuer Klänge nach Lust und Belieben zu genießen.

Für uns als Hersteller, gibt es oft noch andere Überlegungen, die im Zusammenhang mit der Auswahl der Saiten anfallen, wie zum Beispiel, wie die Saiten den Klang der Gitarre beeinflussen und wie sie sich auf ihre Leistung in einer Reihe verschiedener Umgebungen in der ganzen Welt auswirken, nicht wahr?

Ja, natürlich. Auf eine gewisse Weise ähnelt das dem, was ein Autohersteller bewältigen muss, wenn er ein Auto oder einen Lastwagen baut. Der Hersteller möchte natürlich, dass das Fahrzeug seine Einfahrzeit gut übersteht, um eine lange und problemlose Lebensdauer und gute Leistung zu erreichen. Um diesen Vorgang zu unterstützen, kann es sein, dass der Hersteller auf ein bestimmtes Öl mit Additiven oder bestimmte Reifen setzt. In unserem Fall, wenn wir eine Gitarre bauen und Saiten aufziehen, haben wir keine Ahnung, ob es der erste oder der zehnte Musiker ist, der sie letztendlich kauft. Genauso wenig wissen wir, ob sie von einem lokalen Musikladen gleich um die Ecke unseres Werks verkauft wird, oder ob sie halb um die Welt verschifft wird, bis sie endlich in einem Musikladen landet. Angesichts dessen möchten wir natürlich Saiten verwenden, die allen diesen potenziell widrigen Umständen widerstehen und gleichzeitig Gitarristen, die das Instrument ausprobieren, eine angenehme und neutrale Ansprache bieten. Nach dieser anfänglichen Einspielzeit, gibt es dann viele andere gute und musikalisch interessante Optionen. Bei manchen meiner eigenen Gitarren verwende ich unbeschichtete Saiten, weil ich die Oberflächentextur der Saiten mag, mir gefällt das Gefühl. Ich fühle mich wohl mit solchen Saiten. Das heißt aber, ich muss die Saiten ziemlich oft wechseln, damit der Klang nicht irgendwann dumpf wird, aber selbst dann kann mir mitunter im richtigen Zusammenhang ein dumpferer Klang sogar gefallen.

Ich habe zum Beispiel einen alten Bass, den ich auf vielen Aufnahmen gespielt habe, und für den ich sogenannte halbrunde (halbgeschliffene) Saiten verwende. Sie sind nicht geschliffen, wie Saiten für Jazz-Gitarre, aber auch nicht ungeschliffen, wie für eine akustische oder elektrische Gitarre. Es ist eine Art Zwischending. Frisch aus der Packung haben sie einen verstaubten, etwas dumpfen Klang. Auf jenem Bass liebe ich den Sound, der sich daraus ergibt. Er ist für jenes Instrument einfach genau richtig.

Wie wirken sich dumpfer klingende Saiten auf das Instrument aus und – das könnte auf die neue AD27e Flametop bezogen werden – wie ändern sie die Art und Weise, wie man das Instrument bespielt?

Vom mechanischen Gesichtspunkt aus, dämpfen bestimmte Saiten einen Teil der hochfrequenten Obertöne ab, was zu einem weniger metallischen Klang führt. Ein Tontechniker würde das vielleicht so beschreiben, dass sie zu weniger Zischen, sanfterem Impuls- und Einschwingverhalten und weniger Präsenz führen. Der hochfrequente Obertonanteil erzeugt einen gut definierten Ton, mit klaren und hörbaren Kanten am Anfang und Ende des Tons. Wenn dies gedämpft wird, hört der Musiker einen Ton, der sanfter und weicher anfängt und endet. Man könnte sagen, dass der Eindruck entsteht, man würde mehr Holz und weniger Metall hören. Diese Wärme lenkt den Gitarristen in eine andere Richtung, was die Artikulation des Anschlags angeht.

Was treibt die Entwicklungen an, denen Sie sich widmen? Ich bin mir sicher, dass Sie sich von vielen Dingen inspirieren und beeinflussen lassen. Musik ist Teil Ihres Lebens, Sie kennen viele andere Musiker, mit denen Sie auch Musik machen und Sie halten sich über wichtige Neuigkeiten in der Welt der Musik auf dem Laufenden… aber wie führen Sie diese Einflüsse mit Ihren eigenen Ideen auf eine Art und Weise zusammen, die Ihre Entwicklungen vorantreibt?

Für Entscheidungen bei Entwürfen sind immer mehrere Dinge zu beachten, denn immer dann, wenn man etwas baut, muss man auch wissen, welche Materialien einem zur Verfügung stehen. Es kommt nicht oft vor, dass ein Instrumentenbauer sagt: „Ich möchte diesen Entwurf in die Praxis umsetzen und werde jetzt einfach das ideale Material dafür suchen“. Manche Entscheidungen zu Entwürfen sind pragmatisch, weil man beispielsweise die Materialien verwenden muss, die man bereits hat oder einen Bestand an Material, das verlässlich und hochwertig ist. Die ganze Zeit über höre ich im Hinterkopf verschiedene Klänge oder musikalische Verwendungen, die ich gehört habe oder die mir gefallen haben. Ich denke da zum Beispiel an eine Band, die bestimmte Sounds produziert hat oder ein besonderes Gefühl oder einen Spielstil anstrebten, die gut zu einem bestimmten Material passen. Dann überlege ich, was das ergänzen kann: die richtige Korpusform für dieses Holz und diese musikalische Verwendung, die richtige Abstimmung, die passende Oberflächenbehandlung, ja, die geeigneten Saiten dafür. All das ist schließlich eine Art Rezept. Ganz ähnlich wie wenn ein Chefkoch auf irgendeine besondere Zutat stößt und sich fragt: „Welches interessante und leckere Gericht könnte ich damit zubereiten?“

Was die Frage der verfügbaren Zutaten angeht, möchte ich die Tatsache ansprechen, dass wir Holz aus städtischen Gebieten verwenden und das Ziel verfolgen, unseren Betrieb auf eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Weise zu führen. Wir möchten auf Material setzen, das auch demnächst verfügbar sein wird. Urban Ash, also Esche aus urbanen Gebieten, ist eines davon. Sind Sie weiterhin eifrig dabei, diese Strategie zu verfolgen?

Die Beschaffung von Material aus urbaner Forstwirtschaft ist nach wie vor ein spannendes Abenteuer für uns. Als wir angefangen haben, mit Holz aus städtischen Gebieten zu arbeiten, war das eines der Projekte, von denen wir uns einfach sicher waren, dass wir es umsetzen sollten, auch wenn es anfänglich erstaunlich teuer war und sogar den Eindruck vermittelte, dass es eventuell nicht machbar wäre. Trotz all der Hindernisse war es uns klar, dass man es tun sollte, und irgendwer muss ja den Anfang machen. Im Laufe der Jahre seitdem wir angefangen haben, mit diesem Holz zu arbeiten, hat sich das Konzept als wesentlich erfolgreicher erwiesen, als wir zunächst angenommen hatten, jedenfalls was die Qualität des Materials betrifft, das wir beschaffen können, und die Vorteile, die diese Art von Forstwirtschaft für die optimale Verwendung von Holz und zur Reduktion des Drucks auf andere Holzarten bieten kann. Es ist einfach toll, dass wir bestimmtes Material oder Beschaffungsquellen entlasten können, indem wir unser Holzportfolio um zusätzliche Arten erweitern, wovon einige jetzt auch aus urbanen Gebieten stammen. Das bedeutet, dass diese Initiative mit fortwährendem und raschem Schritt voranschreiten kann und wir weiterhin unser Angebot diversifizieren können. Als Gitarrenhersteller befinden wir uns somit in einer positiven und interessanten Lage.

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